„Der Fachkräftemangel ist das Beste, was uns passieren konnte“

Das Handwerk sucht händeringend nach qualifiziertem Personal, um die gute Auftragslage zu bewältigen. Nicht so beim Sanitär-Heizung-Klima (SHK) Meisterbetrieb Kohl Wasser + Wärme aus Bobingen: Anstatt die wertvollen Mitarbeiter mit Mindestlöhnen abzuspeisen, bietet man ihnen attraktive Weiterbildungen, faire Arbeitszeiten sowie eine attraktive, leistungsgerechte Bezahlung – und sichert sich so die Fachkräfte, von denen viele in der Branche behaupten, dass es sie gar nicht gibt.

 Ende vergangenen Jahres verkündete der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, dass der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel das Wachstum im Handwerk bremse. Fast jeder zweite Betrieb suche aktuell nach qualifizierten Fachkräften. Rund 15.000 Ausbildungsplätze blieben in 2017 alleine im Handwerk unbesetzt. Ein Problem, das auch Handwerksbetriebe aus Augsburg und der Region nur zu gut kennen – das aber nicht unlösbar scheint, wirft man einen Blick auf das Bobinger SHK-Unternehmen Kohl Wasser + Wärme. Entgegen des Trends blickt man hier voller Zuversicht in die Zukunft. „Aufträge wegen Personalmangels abzusagen gibt es bei uns nicht“ bekräftigt Geschäftsführer Albert Kohl. Dabei hatte der 1886 gegründete Sanitär- und Heizungs-Betrieb zeitweise selbst mit dem vermeintlichen „Attraktivitätsproblem“ des Handwerks, wie Kohl es kopfschüttend nennt, zu kämpfen.

Zukunft in die Hand nehmen

Anstatt sich mit dem branchenübergreifenden Problem abzufinden, wurden er und sein Team aktiv, sprachen mit den Mitarbeitern über Wünsche und Ziele, verjüngten Arbeitszeitmodelle, modernisierten und digitalisierten Werkzeuge wie Infrastruktur. „Immer mehr junge Leute denken, dass sie studieren müssen, um etwas aus ihrem Leben zu machen. Wir zeigen ihnen, dass das auch im SHK-Handwerk geht, geben ihnen Freiheiten, Verantwortung, Aufstiegschancen. Und das bei Arbeitszeiten, von denen zum Beispiel ein Marketingmanager bei vergleichbarer Bezahlung wie einer unserer Meister nur träumen kann“, so Kohl.

Mitarbeiter finden und binden

Neue Azubis und Fachkräfte zu finden ist jedoch nur ein Teil der aktuellen Personal-Herausforderung. Sie langfristig an das Unternehmen zu binden, ein weiteres Zukunftsprojekt, das bei der Firma Kohl in den vergangenen Jahren sichtlich Früchte trägt: 56 Mitarbeiter gehören derzeit zum Team, viele von ihnen haben einst als Lehrling begonnen und sich zum Techniker bzw. Meister hochgearbeitet. Alleine in den letzten fünf Jahren wurden über 200 Fortbildungsmaßnahmen ermöglicht, acht Azubis eingestellt bzw. unbefristet übernommen, fünf Meister- und Techniker-Abschlüsse finanziert. Diese Perspektiven, sowie die faire Bezahlung bei familien- und freizeitfreundlichen Arbeitszeitmodellen führt zu einem besonders guten Betriebsklima: „Natürlich haben uns in den letzten Jahren auch Mitarbeiter verlassen“, räumt Kohl ein. „Viele davon sind aber schon nach kurzer Zeit wieder zu uns zurückgekehrt.“